Würth-Gruppe

ist für weiteres Wachstum gerüstet

Ein Essay von Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth,

Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Leserinnen und Leser,

 

einen Beitrag zum Geschäftsbericht 2022 zu liefern, fällt mir ehrlich gesagt überhaupt nicht leicht. Auf der einen Seite ist das 77. Geschäftsjahr der Würth-Gruppe mit heiterer Leichtigkeit zu kommentieren, es gab mit Abstand neue Rekorde bei Umsatz und Betriebsergebnis. Meine Dankbarkeit gegenüber allen mehr als 85.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, all unseren Führungskräften und besonders natürlich gegenüber unseren Kunden ist außerordentlich groß.

Betrachtet man aber die andere Seite unseres Seins, nämlich die Welt, dann ist eine abrupte Stimmungswende zu verzeichnen: Nie in meinen 73 Berufsjahren habe ich solch eine Krisenagglomeration wie in diesen Tagen gesehen. Allem voran der Ukraine-Krieg, sodann die gewaltige Inflation, die Lieferkettenprobleme, die Corona-Pandemie mit immer neuen Virus-Varianten sowie die Klimaveränderungen ergeben eine Häufung von Negativismen, die mich in meiner finalen Verantwortung für dieses 85.000-Mitarbeiter-Unternehmen mit großer Sorge erfüllen, wissen wir doch nicht, ob wir uns schon am Beginn eines Dritten Weltkriegs befinden.

Umso erstaunlicher ist, dass sich Ende Januar 2023 schon überblicken lässt, dass wir diesen Monat mit rund 13 Prozent wachsen werden. Eigentlich wäre ein gemäßigter Optimismus hinsichtlich der Entwicklung des Geschäftsjahrs 2023 nicht unangemessen. Nachdem in diesen Tagen auch die Bundesregierung die Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft von – 0,3 Prozent auf 0,2 Prozent angehoben hat und sich auch der Aktienmarkt aufhellt, ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass die Würth-Gruppe im Jahr 2023 weiter vorankommen wird. Nun, gerüstet wären wir dafür, die Lieferkettenproblematik hat sich etwas entspannt und unsere Läger sind gut gefüllt. Bei Würth Frankreich, Würth Italien und Würth Deutschland investieren wir zurzeit hohe Summen, um die Kommissionierung mit einheitlicher Hard- und Software weitgehend zu automatisieren und die Kapazitäten zu erhöhen, was zu einer signifikanten Pro-Kopf-Umsatzsteigerung in der Logistik und damit zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit führen wird. Bleibt der Frieden erhalten, kann also auch unsere Unternehmensgruppe künftig durchaus bemerkenswerte Wachstumsraten realisieren. Das neue Innovationszentrum Curio® in Künzelsau und die enge Zusammenarbeit mit den Universitäten in Stuttgart und Karlsruhe lassen eine deutliche Beschleunigung der Produktzyklen erwarten. Ausgestattet mit rund acht Milliarden Euro Eigenkapital in der Bilanz und einer Eigenkapitalquote von 46,0 Prozent befindet sich die Würth-Gruppe auf einem soliden Gang durch die Zeit.

Wenden wir uns einmal vom Rahmen des Geschäftsjahrs 2022 ab und überlegen, wie das Unternehmen Würth in 25 Jahren – also weit nach meiner Zeit – aussehen könnte. Mit Sicherheit werden Künstliche Intelligenz, Informatik, Computerei und Robotik bewirken, dass sich die Importanz der verschiedenen Betriebsabteilungen tiefgreifend verändert.

Wenn wir im Jahr 2050 nicht eine Atombrache vorfinden, dann werden Künstliche Intelligenz und die Gesamtinformatik den überwiegenden Teil der heute von Menschen realisierten Betriebsabläufe und Produktionen halb- oder vollautomatisch übernehmen, die Pro-Kopf-Umsatzsteigerungen werden dramatisch sein. Die Vier-Tage-Woche wird weitgehend Standard werden, zehn Jahre weiter vielleicht sogar eine Drei-Tage-Woche. 2050 wird ein signifikanter Arbeitskräftemangel im Bereich der Künstlichen Intelligenz mit all ihren Spielarten problematisch bleiben.

Genau diese Thesen werden auch ein Umdenken in die Würth-Gruppe bringen: Über sieben Jahrzehnte war mit weitem Abstand die Außendienstorganisation mit 80 Prozent Wichtigkeit die Speerspitze des Unternehmens. In die Zukunft hinein wird diese Rolle von Künstlicher Intelligenz, Informatik und Robotik übernommen werden.

 

»Künstliche Intelligenz, Informatik und Robotik werden Speerspitze des Unternehmens.«

 

Natürlich ändert dies nichts an meiner Hochachtung, meiner Dankbarkeit und meinem Respekt für die über 43.000 Menschen umfassende Verkaufsorganisation, weil diese Beschäftigten vor allem den persönlichen Kontakt zu unseren Kunden pflegen. Schon heute sind unsere Verkäuferinnen und Verkäufer mit der hauseigenen SpeedyTouch-Software ausgerüstet und können so während und zwischen den Kundenbesuchen online alle Kundendaten abrufen. Schon durch einen kleinen Zipfel Künstliche Intelligenz und mit null Zeitverzögerung erhalten die Mitarbeitenden im Vertrieb praktisch alle Daten ihrer Kunden. Sie wissen genau, wann welches Produkt zuletzt gekauft wurde und können gezielt den Nachkauf initiieren.

Angesagt ist also im ganzen Unternehmen: Jeder Mitarbeitende sollte wenigstens Grundbegriffe der Informatik beherrschen und auch sachverständig mitreden können. Pro domo bin ich ein starker Verfechter dafür, die Vernetzung unserer Kunden und Geschäftspartner mit Würth über eine Art firmeneigene Cloud massiv voranzubringen, weil dies zu weiteren Kostenreduzierungen bei den Kunden und bei Würth führt. Über all diese im MINT-Bereich angesiedelten Aktivitäten hinaus spielt beim Zusammenleben in unserem Familienunternehmen der emotionale, motivatorische Ansatz eine große Rolle. Wenn Würth Italien gerade in diesen Tagen zum besten Arbeitgeber des Landes gekürt wurde und wir vielfältige Auszeichnungen für unser vorbildliches Betriebsklima erhalten haben, dann dokumentiert dies, wie wichtig es ist, trotz der Größe die Vorteile eines Familienbetriebs zu pflegen. Bescheidenheit und große Dankbarkeit gegenüber Mitarbeitenden, Kunden und Geschäftsfreunden gehören genauso dazu wie die absolute Bekämpfung jeder Art von direkter oder indirekter Arroganz. Das Betriebsklima soll getragen sein von Loyalität, Toleranz, fröhlicher Leistungsbereitschaft und Lebensfreude. Betriebsfrieden führt zu hoher Kollegialität unter den Mitarbeitenden, zu Bekanntschaften und Freundschaften, die das Unternehmen zu einer wohligen Heimat unseres Lebens machen und so eine echte, unbezahlbare Bereicherung bringen. Gerade die auch in Zukunft wichtige Betonung der Führungskultur gegenüber der Führungstechnik sollte unser Unternehmen auch im Jahr 2050 das Fortbestehen und die Zukunft sichern.

 

»Es ist wichtig, trotz der Größe die Vorteile des Familienbetriebs zu pflegen.«

 

Zusätzlich pflegt das Unternehmen eine gemeinnützige Komponente mit jährlich hohen Spendensummen: Allein die von Bettina Würth initiierten Freien Schulen Anne-Sophie – von der Eingangsstufe bis zum Gymnasium mit 606 Schülern in Künzelsau und 410 Schülern in Berlin – werden mit jährlich sieben Millionen Euro gefördert. Viele weitere gemeinnützige Aktivitäten, wie Stiftungsprofessuren oder die Unterstützung von Tafelläden, werden durch die vom Unternehmen getragene gemeinnützige Stiftung Würth mit insgesamt jährlich zweistelligen Millionensummen gefördert.

So bleibt mir für heute, auch im Namen meiner lieben Frau Carmen, mit der ich nun 66 Jahre verheiratet bin, herzlichen Dank zu sagen und Ihnen ein glückliches, vor allem friedliches, harmonisches Jahr 2023 zu wünschen. Bleiben Sie gesund!

Ihr

Prof. Dr. h. c. mult. Reinhold Würth

Vorsitzender des Stiftungsaufsichtsrats der Würth-Gruppe

im Januar 2023